Gemeinsame
Außen- und Sicherheitspolitik (GASP)
Notwendigkeit einer Gemeinsamen Außen- und Sicherheitspolitik
Der Gedanke, die Europäische Union müsse auf der internationalen
Bühne mit einer Stimme sprechen, ist so alt wie der Prozess der
Europäischen Integration selbst. Doch die Union ist bei der Gestaltung
einer gemeinsamen Außen- und Sicherheitspolitik im Laufe der Jahre
weniger schnell vorangekommen als bei der Schaffung des Gemeinsamen
Marktes und der gemeinsamen Währung. Um diese ungleiche Entwicklung
auszugleichen, hat die Union in den vergangenen 15 Jahren versucht,
ihre politische Rolle in der Außen- und Sicherheitspolitik mit
ihrem Gewicht als Handels- und Wirtschaftsmacht in Einklang zu bringen.
Auslöser hierfür sind die Ereignisse, die seit Ende der 80er
Jahre zu einer Verlagerung der strategischen Interessen geführt
haben: Durch die Auflösung der Sowjetunion und das Ende des Kalten
Krieges war nämlich die Gefahr eines massiven Angriffs in Europa
nicht mehr gegeben. Vielmehr wurde eine andere Gefahr deutlich: Der
Konflikt im ehemaligen Jugoslawien zeigte, welche Gefahr regionale Konflikte
für die angrenzenden Länder sowie für den Frieden, die
internationale Sicherheit und die Stabilität Europas darstellen.
An die Stelle von Verteidigung im herkömmlichen Sinne sind also
andere Bedrohungen getreten, denen die Union vorbeugen und die sie abwehren
muss: die Verbreitung von Massenvernichtungswaffen, der illegale Waffenhandel,
der Schmuggel von Kernmaterial, der Fundamentalismus und Extremismus
sowie seit den Angriffen vom 11. September 2001 auch der Terrorismus.
Die Union hat beschlossen, ihre Sicherheit stärker in die eigenen
Hände zu nehmen und begonnen, die Außen- und Sicherheitspolitik
der Mitgliedstaaten sowie die Durchführung gemeinsamer Aktionen
in Bereichen, in denen kollektive Interessen bestehen, zu koordinieren.
Entwicklung
Der Grundsatz der GASP wurde 1992 im Vertrag von Maastricht verankert.
Seit dem kann die Union als solche auf der internationalen Bühne
auftreten und ihren Standpunkt zu bewaffneten Konflikten, zu Menschenrechtsfragen
und allen anderen Themen im Zusammenhang mit den Grundprinzipien und
gemeinsamen Werten der EU zum Ausdruck bringen. Durch den Vertrag von
Amsterdam, der seit 1999 in Kraft ist, wurden die GASP-Bestimmungen
durch die sog. "Petersberg-Aufgaben" präzisiert. Zu ihnen
zählen humanitäre Aufgaben und Rettungseinsätze, friedenserhaltende
Maßnahmen, Krisenmanagement und friedenschaffende Einsätze.
Zur Umsetzung der Petersberg-Aufgaben setzte sich die Union zum Ziel,
innerhalb von 60 Tagen eine bis zu 60.000 Mann starke Truppe mobilisieren
und einsetzen zu können, die in der Lage ist, ein Jahr lang im
Einsatz zu bleiben. Ferner wurde vereinbart, bis zu 5.000 Polizeibeamte
für zivile Aspekte der Krisenbewältigung bereit zu stellen,
von denen 1.000 innerhalb von 30 Tagen einsatzfähig sein sollten.
Als Teil der GASP wurde darüber hinaus auch eine Europäische
Sicherheits- und Verteidigungspolitik (ESVP) geschaffen, die, falls
dies später so vereinbart würde, auch die Schaffung einer
gemeinsamen Verteidigungs-struktur ermöglichen sollte. Ziel der
ESVP ist es, im Rahmen der Gemeinsamen Außen- und Sicherheitspolitik
Europas Handlungsfähigkeit im zivilen und militärischen Krisenmanagement
sicherzustellen. Der Europäische Rat von Nizza beschloss dann im
Jahr 2000 auch die Einsetzung neuer, ständiger Gremien mit Sitz
in Brüssel zur Stärkung der GASP und zum Aufbau der ESVP.
Diese neuen politischen und militärischen Strukturen dienen dem
Ziel einer effektiven und glaubwürdigen GASP/ESVP. Im letzten Jahr
wurden schließlich insgesamt vier Einsätze geleitet: Polizeimissionen
in Bosnien-Herzegowina und in Mazedonien, eine militärische Operation
in Mazedonien mit Rück-griff auf NATO-Mittel und -Fähigkeiten
und eine "autonome" militärische Operation der EU im
Kongo.
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Instrumente und Akteure - Umsetzung der GASP in die Praxis
Der Europäische Rat, in dem die Staats- und Regierungschefs der
15 Mitgliedstaaten sowie der Kommissionspräsident zusammentreten,
steht an oberster Stelle der GASP. Er bestimmt deren Grundsätze
und allgemeine Leitlinien, auch wenn es um Fragen mit verteidigungspolitischen
Bezügen geht. Die Beschlussfassung erfolgt einstimmig. Die Steuerung
der Fortentwicklung der GASP obliegt dem Rat der Europäischen Union
(Allgemeine Angelegenheiten und Außenbeziehungen). Hier kommen
alle Außenminis-ter der Mitgliedstaaten zusammen, die die GASP-Fragen
sozusagen "ausarbeiten". Als Mittel stehen ihm dazu gemeinsame
Standpunkte (verbindliche Konzepte der Union), Gemeinsame Aktionen (Operationen
auf einem konkreten Gebiet der Außenpolitik, z.B. Entsendung von
Wahlbeobachtern), Gemeinsame Strategien (Konzepte zu bestimmten Bereichen
der Außenpolitik oder Festlegung konkreter Maßnahmen zu
deren Umsetzung), Beschlüsse oder Erklärungen zur Verfügung.
Alle Einzelmaßnahmen werden in der Regel einstimmig beschlossen.
Die Mitgliedstaaten haben dafür Sorge zu tragen, dass ihre einzelstaatliche
Politik mit den beschlossenen Maßnahmen in Einklang steht. Weiterhin
gibt es das Politische und Sicherheitspolitische Komitee, eine ständige
Ein-richtung in Brüssel. Es verfolgt die internationale Lage und
trägt auf Ersuchen des Rates oder von sich aus durch Stellungnahmen,
die an den Rat gerichtet sind, zur Formulierung der Politiken bei. Darüber
hinaus überwacht es die Durchführung der vereinbarten Politiken.
Im Krisenfall übernimmt es die politische Kontrolle und strategische
Leitung jeder Operation, wobei es sich bei militärischen Operationen
auf die Stellungnahmen und Empfehlungen des Militärausschusses
und des Militärstabes stützt. Mit dem Vertrag von Amsterdam
wurde das Amt des "Hohen Vertreters für die GASP" geschaffen.
Der Hohe Vertreter - auch "Mr. GASP" genannt - ist gleichzeitig
Generalsekretär des Rates der EU. Er soll der GASP mehr Effizienz,
mehr Kohärenz und größere Sichtbarkeit verleihen und
die Kontinuität der GASP während der halbjährlich wechselnden
Präsidentschaften des Rates hinweg sicher stellen. Seine Amtszeit
beträgt 5 Jahre, seit Oktober 1999 nimmt dieses Amt der Spanier
Javier Solana wahr. Zu seiner Unterstützung gibt es die "Strategieplanungs-
und Frühwarneinheit", auch kurz "Politischer Stab"
genannt. Dieses Gremium erarbeitet regelmäßig außen-
und sicherheitspo-litische Analysen aus allen GASP-relevanten Bereichen.
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Vertretung gegenüber Drittstaaten
In GASP-Angelegenheiten wird die EU durch die jeweilige Ratspräsidentschaft
vertreten (zur Zeit Irland). Unterstützt wird sie dabei vom Hohen
Vertreter. Meistens wird darüber hinaus auch die Kommission beteiligt,
so dass in den Kontakten mit Drittstaaten häufig das sogenannte
"Troika-Format" gewählt wird. Der Verfassungsentwurf
sieht das Amt eines europäischen Außenministers sowie einen
europäischen diplomatischen Dienst vor, der entsprechende repräsentative
Aufgaben künftig übernehmen und somit zur Stärkung der
außenpolitischen Handlungsfähigkeit der EU beitragen.
Verhältnis zur NATO
GASP bzw. ESVP und NATO sollen sich im Sinne einer strategischen Partnerschaft
ergänzen. EU und NATO haben wiederholt deutlich gemacht, dass vor
allem diejenigen Mitgliedstaaten, die beiden Organisationen angehören,
aus politischen und finanziellen Gründen auf eine enge Abstimmung
der Streitkräfteentwicklungen in NATO und EU achten werden. So
soll sichergestellt werden, dass sich die in EU und NATO vorgenommenen
Verbesserungen militärischer Fähigkeiten gegenseitig verstärken.
Mitte März 2003 wurde ein Gesamtpaket von EU-NATO-Dauervereinbarungen
beschlossen, das diese strategische Partnerschaft untermauert. Hierin
ist beispielsweise enthalten, dass der EU der Rückgriff auf NATO-Mittel
und -Fähigkeiten erlaubt ist. Diese strategische Partnerschaft
ist Basis für unsere gemeinsame Sicherheit. Konsultationen und
Abstimmungen zwischen beiden Organisationen sind dabei von höchster
Bedeutung.
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Position der Sozialdemokraten
Die Gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik Europas muss nach
dem Willen der Sozialdemokraten klare Ziele verfolgen:
- Europa ist eine Friedensmacht - diesen Frieden gilt es zu sichern
und auszuweiten
- Europa muss seine Stellung im weltpolitischen Gefüge behaupten
und Verantwor-tung für Stabilität und Sicherheit übernehmen
- hierzu ist Handlungsfähigkeit erfor-derlich, die den Ausbau
operationeller Fähigkeiten der EU im zivilen und militärischen
Bereich erfordert
- die EU muss eine Konfliktpräventionspolitik betreiben - Krisenmanagement
steht im Vordergrund, militärische Einsätze müssen
immer das letzte Mittel sein
Die SozialdemokratInnen sehen Europa als eine weltpolitische Friedensmacht,
die für die weltweite Achtung und Durchsetzung der Werte, die der
EU zugrunde liegen, couragiert eintritt. Zu diesen Werten, auf denen
die europäische Integration basiert, gehö-ren Freiheit, Gleichheit
und Solidarität. Um diese "Mission" glaubhaft und erfolgreich
durchführen zu können, muss Europa aber auch handlungsfähig
sein. Denn nur durch entschlossenes Eintreten Europas für die Achtung
und Durchsetzung der Menschenrechte und sozialer Grundrechte lässt
sich die europäische Integration fördern und der Frieden sichern.
Eine stärkere Rolle der Europäer ist Voraussetzung für
eine langfristig tragfähige und gleichberechtigte transatlantische
Partnerschaft, für eine engere Zusammenarbeit Europas mit Russland
und für ein abgestimmteres Auftreten der EU in internationalen
Organisationen wie der OSZE und den Vereinten Nationen. Schließlich
wird auch die NATO durch geschlosseneres und damit stärkeres Auftreten
der EU gestärkt.
Zu der erforderlichen Handlungsfähigkeit gehört einerseits,
Verfahren zur Krisenprävention und zum Krisenmanagement zu erarbeiten.
Andererseits ist der Ausbau der operationellen Fähigkeiten der
EU im zivilen (Polizei, Zivilverwaltung, Katastrophenschutz, Stärkung
des Rechtsstaats) und militärischen (schnell verfügbare Einsatzkräfte,
Kernfähigkeiten für Krisenmanagementaufgaben) Bereich erforderlich.
Die bisherigen Entwicklungen auf europäischer Ebene werden daher
von den Sozialdemokraten un-terstützt. Darüber hinaus setzen
sie sich für eine Gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik
der Europäischen Union ein, die auf einem umfassenden Sicherheitskonzept
basiert. Das Konzept muss sowohl politische als auch militärische,
wirtschaftliche, soziale und ökologische Elemente umfassen. Außerdem
sind Aspekte der Außen- und Sicherheitspolitik mit denen der Verteidigungs-
und Entwicklungspolitik verzahnen. Nur mit diesem umfassenden Ansatz
kann die Fähigkeit zur Konfliktprävention verstärkt werden.
Deshalb streitet die SPD seit langem für "mehr Europa"
in der Außenpolitik". Europa muss zu einem außen- und
sicherheitspolitischen Akteur von Gewicht werden, um Verantwortung für
Stabilität und Sicherheit im euro-transatlantischen Raum und darüber
hinaus zu übernehmen. Die Schaffung des Amtes eines Europäischen
Außenministers und eines europäischen diplomatischen Dienstes
durch die Europäische Verfassung ist ein gewichtiger Schritt in
diese Richtung, der maßgeblich von Sozialde-mokratInnen initiiert
und durchgesetzt wurde.
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